
F. Scott Fitzgerald schuf 1925 eine Ikone der modernen amerikanischen Literatur. Der junge und mysteriöse Millionär Jay Gatsby feiert rauschende Parties auf seinem Anwesen in Long Island. Sein geheimer Plan: Er möchte seine Jugendliebe Daisy, die den gewalttätigen, aber erfolgreichen Tom Buchanan geheiratet hat, zurückerobern. Fitzgerald erzählt seine Geschichte von Dekadenz, Liebe und Verrat durch die Augen des etwas naiven Nick Carraway, ein echtes Landei, der gerade nach New York gezogen ist.
Ist es im ursprünglichen Werk noch die Prohibition, illegaler Handel mit Alkohol und organisiertes Verbrechen, das Gatsby zum erfolgreichen Geschäftsmann über Nacht macht, so modernisiert Claus Martin seine Musical-Version ein wenig. Mr. Meyer-Wolfsheim, im Roman ein hohes Tier des organisierten Verbrechens, wird zum windigen Börsenmakler, Gatsby verdient seine Millionen an der Börse mit hohlen Krediten im Schneeballsystem und verliert seinen Reichtum daher auch schlagartig, wenn sein Gegenspieler Tom seine Kredite auffliegen lässt. Für Musical-Autor Claus Martin ist es eben das "Casino Mondiale", die Börse, in der sich die grenzen- und gesetzlose Gier nach Geld heutzutage widerspiegelt.
Allein die Vielzahl der Protagonisten des Plots stellten hohe Anforderungen an das Ensemble. -Musical, das hieß Soli singen, Duette und manchmal sogar Terzette, das hieß gleichzeitig schauspielern, unter Sportlehrerin Susanne Erhardts kritischem Auge Choreografien tanzen und bitte textsicher durch lange Sprechrollen finden.- Und dabei noch den anspruchsvollen musikalischen Vorgaben des Librettos gerecht werden, das seine musikalische Heimat im Jazz, aber auch in zeitgenössischem Rock und Pop hat. Deshalb hatten sich Bärbel Saknuss und Lena Grombach als Chor- und Solistenverantwortliche für die Probentage in Hohebuch auch profesionelle Unterstützung beim Sänger und Dozenten für Musical-Gesang Nico Müller der bayrischen Berufsfachschule Sulzbach-Rosenberg geholt.
Trotz aller Unterstützung war der Druck für alle Beteiligten eine Woche vor Aufführung dann doch zu spüren. Im Lehrerzimmer stapelten sich Kostüme und Requisiten, während die Klassenzimmer spätestens drei Tage vor der Aufführung zunehmend verwaisten. Müde erklärt eine Hauptdarstellerin im Unterricht: "Ich bin so fertig, dass ich im Stehen einschlafen könnte. Ich sehe mich unter keinen Umständen heute Abend zu Hause vor dem Spiegel die Haltung meines Fächers nochmals überprüfen." Zwischendrin Hiobsbotschaften: Ist die Then-Halle überhaupt bespielbar? Friedrich Veil gibt im Nachhinein zu: "Eine Woche vor Premiere schien eine vernünftige Aufführung noch in weiter Ferne."
Ralph Gruber begrüßte die Gäste an der Premiere kurz und knapp, unter ihnen auch Kirchenrätin Ursula Kannenberg, die pädagogische Geschäftsführerin der Schulstiftung der evangelischen Landeskirche in Württemberg, die wie viele Anderen in der gut besuchten Then-Halle im Publikum Platz genommen hatte. Bühne frei!
Abiturient Johannes Waldenmaier als Nick Carraway geleitete das Publikum als Erzähler ruhig und souverän durch die Handlung. Jodie Wolz erhielt als Tom Buchanan dank ihres großen Stimmvolumens den ersten Szenenapplaus des Abends. Filippa Stähle sang als Daisy in den höchsten Töne sauber und rein und konnte das mit dem Fächer, hinter dem sich Gatsby und sie mehrfach küssten, nun wirklich gut. Sie brilliert besonders in ihrem Duo mit Lucia Enssle, die neben Judit Beck am zweiten Abend, den Großen Gatsby selbst verkörperte und ihre schwierige Rolle des jungen, romantischen Idealisten. der auf kapitalistische Abwege gerät, sehr überzeugend auf die Bühne brachte. Rosina Waldenmaier (KSI) überzeugte ebenfalls als fieser und mieser, zigarrenrauchender Geschäftsmann Meyer-Wolfsheim. Sie setzte mit ihrem "Ich sorg dafür, dass der Rubel rollt..." den kritischen Ton Martins gegenüber der Börsenspekulation. "Wir sind die Frauen der neuen Zeit, ... wir wollen Spaß, was ist daran verkehrt, wir wollen mehr als nur ein Leben am Herd", sang Lusia Staege aus der 11B so lasziv als Jordan Baker, dass sie ihr Publikum nach ihren Soli mit offenem Mund zurückließ. Daneben sangen und tanzten sich vor allem auch Lotte Vogelmann und Marieke Fahr (10G) mit ihrem Ohrwurm "Spy Girls" in die Herzen des Publikums.
Hänger blieben bei einer so komplexen Produktion natürlich nicht aus. Ausgerechent beim Terzett, in dem die am Ende doch zu wenig standhafte Daisy die Seiten wieder zum reichen und ruchlosen Ehemann Tom wechselt, und Gatsbys Isolation sich auch darin zeigt, dass er sich gesanglich gegenüber dem Duo Daisy und Tom behaupten muss, fällt bei Lucia Enssle, alias Jay Gatsby, das Mikro des Headsets aus. Unruhe am Mischpult, die Techniker beraten flüsternd, irgendetwas stimmt hier nicht. Leise schlängelt sich einer durch den Saal, betritt die Bühne durch den hinteren Eingang, krabbelt nach vorn, schnappt das Extra-Mikro und läuft gebückt auf Gatsby zu. Lucia Enssle verzieht keine Miene, sie nimmt das Mikro und singt nun deutlich hörbar ihren Part zu Ende. Gatsbys Tod ist nach diesem dramtaischen Höhepunkt nur noch eine Frage der Zeit. Am Ende wird George Wilson (Joona Haupt, KSII) ihn erschießen, weil er glaubt, Gatsby habe seine Frau Myrle (Lisa-Marie Gärtner, KSI) getötet.
Der eigentliche Star des Abends aber bleibt der Chor, der beim abschließenden Tutti nochmals richtig aufdrehte. "Der Tanz auf dem Vulkan", mit dem Claus Martin sein Musical beschließt, beschreibt das Leben im Kapitalismus als wilde und dekadente Party. Schlussakkord, Konfetti-Kanonen sprühen, das Publikum applaudierte stehend. Friedrich Veil springt auf die Bühne, dankt allen Beteiligten und ruft seinem Orchester ein knappes "Takt 75" zu, die setzen für die Zugabe ein.
Solisten, Chor, Regie und Dirigenten, Lehrkräfte und Schüler tanzten alle ausgelassen gemeinsam auf der Bühne.
Bravo! Applaus! Applaus!
Die Schulgemeinschaft bedankt sich bei allen auf, vor und vor allem auch hinter der Bühne unter Kreativleitung von Corinna Mix beim Erstellen des Bühnenbildes. Unseren Technikern gilt an dieser Stelle unser fortwährende Dank für alle treuen Dienste, die ihr immer wieder mit Bravour leistet.
Für die ganze Schulgemeinschaft - Elisabeth Matthes